"Prädikat" wertvoll

VON Dr. Wolf SiegertZUM Montag Letzte Bearbeitung: 27. März 2018 um 01 Uhr 12 Minuten

 

Aus der zahlreichen Korrespondenz sind auch immer wieder Positionen mit dabei, die von AnwältInnen vertreten werden, deren Schwerpunkt das IT- Medien- und Internetrecht ist.

In der letzten Woche trifft auch ein mit "tsp" gekennzeichneter Text ein, bei dem es aber um eine ganz andere Form der Mehrwertschöpfung geht, nämlich um das Recht, einen Wein einen Prädikatswein zu benennen. Und was es bedeutet, wenn dagegen verstossen wird:

Prädikatswein mit Zucker gesüßt – Winzer verliert Qualitätssiegels

Ein - einigen aufmerksamen LeserInnen auch namentlich bereits bekannter - Experte auf diesem Gebiet hat daraufhin dem Autor diese lange Stellungnahme zukommen lassen, die es verdient, an dieser Stelle öffentlich gemacht zu werden:

Das Thema und die Problematik ist mir wohlbekannt.
Es ist in der Tat so, dass deutsche Wein mit Zucker angereichert werden können, was aber nur bei Qualitätsweinen ohne Prädikat zulässig ist. Das ist eine spezielle deutsche Problematik, weil wir bei den Qualitätsweinen auch welche mit Prädikaten haben, wie z.B. Kabinett, Spätlese, Auslese usw. So was kennen die Franzosen, Italiener, Spanier usw. nicht

Dort darf man (und das ist völlig legal) Weine mit Zucker anreichern, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Der Zucker dient hier nicht der nachträglichen Süßung sondern nur der Erhöhung des Alkoholgrades, was gerade bei schweren Weinen erwünscht ist. Diese brauchen hohe Alkoholgrade, denn Alkohol ist ein Geschmacksträger.

Die sog. "Verbesserung" ist also Lebensmittel-rechtlich völlig in Ordnung. Da wir in Deutschland aber auch Weine mit Prädikaten haben (s.o.) und für jedes Prädikat Mindest-Oechlsegrade vorgeschrieben sind (eine Spätlese muss also, je nachdem aus welchen Anbaugebiet sie kommt - auch da gibt es dank deutscher Gründlichkeit - unterschiedliche Eingangswerte) z.B. mindestens 83 Grad Oechsle haben (das ist der Naturzuckergehalt in der Traube).
Man kann dann beim fertigen Wein anhand des Alkoholgrades und des im Wein verbliebenen unvergorenen Restzuckers zurückrechnen, wieviel Grad Oechsle ein Wein bei der Lese hatte und ob es da tatsächlich eine Kabinett, eine Spätlese oder eine Auslese ist.
Wenn man jetzt einen solchen Prädikatswein mit Zucker verbessert, um den Alkoholgrad zu erhöhen, dann käme man bei der Rückrechnung (höherer Alkoholgehalt + Restzucker) auf höhere Werte, die z.B. dann nicht mehr einer natürliche Spätlese entsprechen, sondern plötzlich einer Auslese.

Das ist genau das deutsche Problem. Lebensmittel-rechtlich ist die Verbesserung kein Problem, aber Wein-rechtlich ist es eines, denn hier wird durch die Anreicherung aus einem Prädikat z.B. einer Spätlese ein Prädikat Auslese (oder aus einem Kabinettwein würde, durch die höheren Werte, eine Spätlese). - Im Grunde, Wein-rechtlich, eine korrekte Betrachtungsweise.

Warum die Anreicherung deutscher Qualitätsweine ohne Prädikat zulässig ist, erschließt sich mir nicht; denn ein mit Zucker angereicherter Qualitätswein ist dann eben nicht mehr "naturrein", wie das früher mal auf den Etiketten stand. Korrekterweise müsste der Begriffe Qualitätswein also im deutschen Weinrecht neu geregelt werden. Entweder darf sich mit Zucker angereicherter Wein nicht mehr "Qualitätswein" nennen (ich würde für die strenge Form von "Qualität" plädieren) oder es müsste zumindest vorgeschrieben werden, dass auf dem Etikett stehen muss (z.B.) "mit Zucker angereichert" o.ä.

’Wie erwähnt, kennt man das Problem bei den ausländischen Weinen nicht. So sind z.B. alle großen Bordeaux-Weine verbessert, um durch einen höheren Alkoholgehalt den Geschmack stärker zu fördern. Das ist dort völlig in Ordnung und kein Winzer und kein "Weinkenner" beanstandet das.

Das Tragische an alle dem ist nur, dass die deutschen Winzer, auch die Spitzenwinzer, sich gerne an den internationalen Weinregeln orientieren wollen und für ihre "großen" Weine" auch gerne etwas mehr Alkohol hätten. Und was machen sie? (Auch unsere Weinelite beim Verband der Prädikatsweingüter - VDP!). Sie stufen ihre "Großen Gewächse, für die bisher immer vorgeschrieben waren, dass sie Auslesequalität haben müssen, zum Qualitätswein ab und dürfen ihn damit "anreichern".) So werden jetzt recht bald die Prädikatsbezeichnungen auf unseren Weinflaschen verschwinden. Und der z.B. so schöne Begriff "Spätlese", seit Generationen immer ein Synonym für etwas Besseres und ein Alleinstellungsmerkmal für deutsche und österreichische Wein, wird dem internationalen Trend geopfert; nur, weil Deutschland, als kleines Weinland meint, man müsse international durch den Verzicht auf Deutsche Qualitätsweinregeln mithalten können.

Traurig aber wahr. Ich werde, sicherlich als einsamer Rufer, so lange ich kann, noch für Kabinett-, Spätlese und Auslese-Weine kämpfen.


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