Herr OLM: Oller Ladenhüter? Mitnichten!

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 8. August 2004 um 17 Uhr 02 Minuten

 

Fangen wir mal ganz bescheiden an und verweisen wir zunächst einmal auf die Webseite des Künstlers:
http://www.hanswernerolm.de/homepag...

Dort heisst es u.a.: Olm is on the road again. Seine Mission ist es, der Welt ein Schmunzeln auf das fahle Gesicht zu zaubern. So zieht er von Bahnhof zu Bahnhof, von Halle zu Halle, um dich mit Frohsinn anzustecken. Wohlan - finde ihn - den Termin deiner Wahl. Höre seine Stimme und schau ihm in die Augen, Kleines.
Nach dessen Besichtigung im Hause der Berliner "Wühlmäuse" am heutigen Sonnabend kommt dann gleich der textsensitive Nachschlag...

... und hier ist er: es ist, ohne diese vorher gewusst zu haben, wahrlich ein Nach-Schlag! Denn diese Programm ist ein Schlag ins Kontor.

Theater als Therapie

Die Mission von Hans Werner Olm, "der Welt ein Schmunzeln auf das fahle Gesicht zu zaubern" geht auf, in dem sie scheitert.

Wer im wirklich zuhört, dem vergeht eigentlich das Lachen. Während es auf der Bühne noch schmunzelt, ist das eigene Gesicht schon fahl. Die subjektiv empfundene Wirklichkeit, die er in seinen in Musik und Satire verkleideten Wahrheiten schonungslos offen vorführt, lassen das Publikum nur noch deshalb lachen, weil sie sie sonst nicht ertragen könnnte.

Das ist genial, das ist gut, das ist geil. Für all jene, die nicht wirklich zu sehen bekommen, was hinter dieser Kulisse der 25 Jahre Bühnenerfahrung stehen: es ist die blanke Angst vor dem "Jahr 55 nach der ersten Ejakulation".

Olms Konzept von der Welt, die er er-lebt ist von einem Blick geschärft, der kein Fettnäpfchen ausläßt. Seine Kunst ist es, in diesen Näpfchen mit seinen fetten Sprüchen ganze Krater freizulegen, in denen sich Abgründe auftun. Und es gelingt ihm, im Gegensatz zu anderen, das Publikum in diese Abgründe ein Stück weit mitzunehmen, ohne sie darin abstürzen zu lassen. Er hat seine Seilschaft im Griff, die Sicherheitsanker sind eingeschlagen, er sagt an, wie tief es noch ist, wie weite der Weg noch geht und belohnt am Ende einer solchen Strecke alle mit einem Lied. Und auf dieser Tour auch mit einem Pianisten, der so schön ist, "als wenn ihn sich zwei Schwule erdacht hätten".

Seine Darstellungen sind programmierte Abstürze. Und seine Professionalität besteht daran, uns an diesen teilhaben zu lassen. Das tut dem Zwerchfell gut. Die Reaktionen des Publikums zeigen es. Das tut dem Mann auf der Bühne gut, seine Sätze wie: "der Applaus an dieser Stelle war aber gestern stärker" zeigen es. So weit, so gut. Aber: sie tun auch weh.

Olm will weh tun. Er will sich wehren gegen all die Verlogenheiten, die sich immer dann einstellen, wenn "etwas" Gefahr läuft aus der Norm zu geraten und die Menschen in seiner Umgebung versuchen, dieses Misslingen als "normal" zu-Recht-zu-rücken. Das macht ihn, den betroffenen Beobachter, fast verrückt.

Olm will sich wehren: Er wendet sich gegen die "Babysprache", die die Mütter mit ihren Kindern reden, er wendet sich [als Folge davon?] gegen die Kinder, die in der Kommunikation über ihre mobilen Telefone kaum mehr als nur noch 20 Worte verwenden; und er wendet sich gegen all diejenigen, die sich auf ihre Weise erfolgreich, aus seiner Sicht aber vergeblich gegen das wenden, was Ihnen ihr "Schicksal" als Prüfung auferlegt hat:
das Altern, die Impotenz, das Dickwerden, das Schwulsein, die Vereinsamung.

Olm will diskrimineren ohne zu diskreditieren: Er diskriminiert all Jene, die versuchen, sich mit unwirksamen Mitteln Schutz(t)räume zu bauen, das ihnen "helfen" sollen, sich den Anfeindungen des Lebens zu widersetzen. Er wehrt sich gegen die Immerfröhlichen, die Immergescheiten, die Immerguten.

Und, es scheint dabei gelegentlich durch, als sein ihm seine eigene Fröhlichkeit, sein eigenes Wissen, sein eigener Glaube an das Gute dabei ausgegangen, verbraucht, in der Hitze des Gefechtes seines eigenen Lebens "verbraten". Es scheint, dass er nicht aus diesen "positiven" Werten seine Kraft zieht, sondern aus der Verzweiflung darüber, dass diese Wert ihm eigentlich nicht mehr zur Verfügung stehen - vielleicht ebenso wenig, wie jenen, die er kritisch kolportiert, bis an die Grenze der Dikreditierung.

Insofern - um es auch einmal positiv zu sagen - hat Herr Olm das Zeug zu einem echten Volks-Schau-Spieler. Denn sein Antrieb, die Leute mit all seiner auch politischen aber nie politisierenden Polemik zu überziehen, erwächst aus einem durchaus vorhandenen Verständnis dieser Leute, auch dann, wenn er mit ihnen, so wie er sie uns vorstellt, nicht einverstanden zu sein scheint.

Er trifft sich mit dem Publikum, da er Dinge ansagt, die sie treffen - und die auch ihn betreffen. Er kann Sachen sagen über die Kids und die Tunten, die Alten und die Tanten, die anderen als ihm selbst wohl sehr viel mehr übel genommen werden würden. Es ist, als wenn das Publikum zwar nicht weiss, aber durchaus zu spüren scheint, dass er sich - letztendlich - nicht über sie lustig macht, sondern mit ihnen leidet. Und dass der Humor die einzige Waffe - seine wie ihre - zu sein scheint, diesem Leid in die Augen sehen zu können, bis tief hinein in die abgründigen Tiefen ihrer Seelen. Zumindest in diesen zwei Stunden seines Programms.

Dieser Abend mit Herrn Olm manifestiert die Talente dieses Berufs-Volks-Schau-Spielers, da seine Schau immer auch ein Stück seines Lebens preis zu geben schein, zum Preis einer Theaterkarte und zum Ertrag einer Abendgage als eine Teilsumme dieser.

Ein solches Modell ist nicht ungewöhnliches. Aber es ist schon etwas besonderes, wenn es im Grunde erlaubt ist, mitzuerleben, wie im Verlauf einer solchen Vorstellung diese bittere Ehrlichkeit bis hin über die eigene Käuflichkeit gegen Geld vorgeführt wird. Olm sagt, dass es ihm sehr viel mehr gibt, mit dem Publikum zusammensammen zu sein, als vor dem Fernsehpublikum vor der Kamera zu stehen. Und er bittet "sein" Publikum um Verständnis dafür, dass er nach der letzten Hebst-Staffel vom TV-Sender RTL zur Konkurrenz nach PRO 7 wechselt: die zahlen einfach besser...

Nachdem ich zur Pause so sehr unter dem gut kaschierten Leidensdruck des Protagonisten auf der Bühne gelitten hatte, dass ich mir das eigentlich an einem "vergnüglichen" Sonnabend-Abend-Programm nicht mehr antun wollt, bin ich dann doch geblieben. Und am Ende der Vorstellung, da ist es dann plötzlich so, als ob das Tor zur Wahrheit all dieser ach so fröhlichen Clowns-Nummern doch ein Stück weit ausgestossen wird.

Herr Holm beginnt das zu tun, was er nach seinen vielen Jahren der Wanderschaften und Wahlverwandtschaften wirklich gut kann: zu improvisieren. Wäre das jetzt mit einem guten Dramaturgen vorbereitet gewesen, hätte das ein richtig guter Gig werden können. Denn an diesem Punkt ging es darum, wirklich sein eigenes selbst "in Szene zu setzen". Und das erfordert mehr noch als das Vorspielen der so erfolgreichen von ihm verulkten Persönlichkeiten, mit denen er sich bis zu diesem Punkt durch sein Programm "zu schmieren" verstanden hatte.

Aber da ist der Abend leider zu Ende. Eigentlich soll man ja aufhören, wenn es am schönsten ist, Herr Holm aber hörte immer schon auf, bevor es "schön" zu werden begann - oder auch zu grausam.

Schön war es allerdings, dass er sich kurz vor Ende bei seinem Publikum dafür bedankte, dass es ihn durch diesen Abend gerettet habe. Sein ganzes Theater: eine Therapie ad infinitum.

WS.


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