„Digital für alle“ _ wirklich für Alle?

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 29. Juni 2020 um 18h48min

 

I.

Am 20. Februar 2020 traf dieses Anschreiben ein:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Am 19. Juni 2020 findet der erste bundesweite Digitaltag statt

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Wissenschaft im Dialog (WiD) treten der Initiative „Digital für alle“ bei und werden offizielle Partner des Digitaltags. Damit wächst das Netzwerk auf 26 Organisationen. Die Initiative „Digital für alle“ ist Trägerin des ersten bundesweiten Aktionstags für digitale Teilhabe, der am 19. Juni 2020 stattfindet. „Die Erweiterung des Partnerkreises verdeutlicht die tiefe Verankerung der Initiative in der gesamten Gesellschaft. Hinter dem Digitaltag steht ein breites Bündnis aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Wohlfahrt und öffentliche Hand“, sagt Anna-Lena Hosenfeld, Projektleiterin des Digitaltags. Bereits Ende 2019 waren der Deutsche Bundesjugendring (DBJR), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) der ursprünglich 21 Organisationen umfassenden Initiative „Digital für alle“ beigetreten.

Digitale Teilhabe nachhaltig fördern

Ziel des Digitaltags ist die Förderung der digitalen Teilhabe. Alle Menschen in Deutschland sollen in die Lage versetzt werden, sich selbstbewusst und selbstbestimmt in der digitalen Welt zu bewegen. Der bundesweite Aktionstag soll die Digitalisierung mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktivitäten überall in Deutschland erklären, erlebbar machen, Wege zu digitaler Teilhabe aufzeigen und auch Raum für kontroverse Debatten schaffen. Dafür können online unter www.digitaltag.eu/aktionen von jedermann Veranstaltungen angemeldet werden. Auf der interaktiven Landkarte sind bereits mehr als 180 Veranstaltungen aus dem gesamten Bundesgebiet verzeichnet. Die Bandbreite reicht von lokalen Bürgersprechstunden via Messenger über digitale Erlebnisreisen mit der Virtual-Reality-Brille in Senioreneinrichtungen bis zu Smart-Home-Vorführungen in Handwerksbetrieben. Nach der Premiere am 19. Juni 2020 soll der Digitaltag künftig jährlich durchgeführt werden. Zudem wird im Rahmen des Digitaltags ein Preis für digitales Engagement verliehen.

Informationen und Hintergründe zur Initiative „Digital für alle“ sowie zum Digitaltag, den Aktionen und Beteiligungsmöglichkeiten gibt es unterwww.digitaltag.eu.

II.

Inzwischen ist viel passiert. Auch die eigenständig frühzeitig vorbereiteten Programmvorschläge konnten angesichts der aktuellen Entwicklungen offensichtlich keine Berücksichtigung finden.

Also bleibt nur die Rolle des Bericht-erstattenden Beobachters.

III.

Dazu im Vorfeld diese beiden Deutschlandfunk-Interviews:

16. Juni 2020: Mirjam Kid spricht in der Sendung "@mediasres" mit Sascha Höllig, Senior Researcher beim Leipniz-Institut für Medienforschung über die Ergebnisse einer Reuters-Studie über das Mediennutzungsverhalten im Allgemeinen und hier vor allem von "jungen Leuten" im Besonderen. Für diese stehe in Deutschland in einer zunehmend digitalisierten Welt der Begriff der "Nachricht" immer weniger mit den "klassischen" journalistischen Quellen im Zusammenhang.

Reuters Studie: Jüngere informieren sich über Social Media

Noch sehr viel aufschlussreicher - und bedenklicher - sind die am Folgetag vorgestellten Ergebnisse einer repräsentativen Studie vom Institut für Demoskopie Allensbach Wie lernen Kinder und Jugendliche?, die die Telekom Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Am 17. Juni 2020 spricht Thekla Jahn in der Deutschlandfunk-Sendung "Campus und Karriere" mit Dr. Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Telekom Stiftung zu diesem Thema: Lernort Schule „Kaum höhere Formen der Digitalisierung vorhanden“ [1]

Wie lernen Kinder heute? Interview mit Bildungsexperte Dr. Ekkehard Winter
Es gelten die Regeln des Urheberrechts Deutschlandfunk/CAMPUS & KARRIERE (2020)

Man muss aber aufpassen, wenn man über Digitalisierung spricht, was man dann eigentlich meint. Also wenn wir jetzt zu den Corona-Befunden da kommen, dann stellt man ja fest, Digitalisierung meint im Wesentlichen Versand von E-Mails mit Arbeitsblättern durch die Lehrkräfte. Also, es sind ja kaum die höheren Formen der Digitalisierung vorhanden, also dass Lehrkräfte tatsächlich einen virtuellen Klassenraum gestalten, wo dann die Schülerinnen und Schüler sich auch mit den Lehrkräften tatsächlich treffen. Dafür gibt es ja durchaus technische Unterstützung. Das findet kaum statt. Also insofern muss man genau hingucken, was Digitalisierung meint und wie das dann entsprechend bei den jungen Menschen auch ankommt.

Dr. Winter lässt aber auch klar erkennen,

... dass die Kinder und Jugendlichen vor allem dann motiviert sind, wenn sie etwas Mitsprachemöglichkeit haben. Also wenn sie in modernen Lernformen ein großes Themenfeld vor sich haben, wo sie dann aber das, was sie genau bearbeiten wollen in einem Projekt, mit anderen zusammen, dann näher anschauen, dazu recherchieren sollen, dann motiviert das ungemein. Moderne Formen des Lehrens und Lernens haben das auch längst in den Blick genommen. Selber etwas tun, selber als Akteur und nicht passiv zu sein, das ist zentral.


IV.

Diese hier wiedergegebenen Ergebnisse decken sich weitgehend mit eigenen Erfahrungen in der Lehre.

In einer aktuellen Evaluation eines Online-Master-Class-Kurses zum Thema "Design Thinking" wurde von den Studierenden vor allem positiv herausgestellt, dass es auch bei der Anwendung dieser digitalen Formate und Methoden möglich gewesen sei, interaktiv und im Dialog miteinander zu arbeiten.

V.

Es ist gut, dass sich auch das Bundespräsidialamt dieses Datums angenommen hat und wie folgt berichtet:

Bundesweiter Digitaltag – Bundespräsident im Gespräch mit Tech4Germany und Digitalen Dörfern

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt am 18. und 19. Juni digitales soziales Leben in der Corona-Pandemie.

Am Freitag, 19. Juni, nimmt er ab 10.00 Uhr am bundesweiten Digitaltag der Initiative „Digital für alle“ teil. In Schloss Bellevue empfängt er per Videokonferenz die Gewinnerinnen und Gewinner des Preises für digitales Miteinander. Um 11.30 Uhr hält der Bundespräsident eine Ansprache und tauscht sich mit Bürgerinnen und Bürgern der Digitalen Dörfer Ovenhausen (Nordrhein-Westfalen) und Betzdorf (Rheinland-Pfalz) aus. Damit knüpft er an seine Besuchsreihe „Land in Sicht – Zukunft ländlicher Räume“ an – dieses Mal online. [2]

Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain in Rheinland-Pfalz hat die Online-Kommunikationsmittel in der Corona-Zeit insbesondere zur Organisation von Nachbarschaftshilfe intensiv genutzt. Im nordrhein-westfälischen Ovenhausen hat sich aus der sogenannten Klönstube, einem Treffpunkt für das Dorf, eine umfangreiche digitale Dorfplattform entwickelt. Die Beispiele zeigen, wie Bürgerinnen und Bürger in der Krise digitale Werkzeuge wie die App „Dorffunk“ einsetzen, um einander, trotz physischer Distanz, nah zu bleiben, z. B. indem sie ihren Nachbarn bei Einkäufen oder anderen Erledigungen helfen oder sich gegenseitig per App über das Geschehen im Dorf auf dem Laufenden halten.

Bereits am Donnerstag, den 18. Juni, trifft der Bundespräsident Organisatoren des im März veranstalteten Hackathons „WIRvsVIRUS“. Daran haben insgesamt rund 28.000 Menschen teilgenommen und in interdisziplinären Teams Ideen zur Bewältigung der Pandemie entwickelt. Von den 1.500 Projektideen werden derzeit 130 umgesetzt [3]

VI.

Die Sendung "Im Gespräch" von Ulrike Timm mit Rainer Langhans auf Deutschlandradio Kultur: Alt-68er-Ikone Rainer Langhans „Ich bin ein amtlich anerkannter Spinner“ hat eine ganz besondere Koinzidenz mit diesem Tag.

Sowohl inhaltlich, als auch dadurch, dass er einer der Protagonisten gewesen wäre, mit denen wir heute an diesem Tag einen eigenen Beitrag geleistet hätten. Nun ist dieses, wenn auch auf einem ganz anderen institutionellen Wege, doch geschehen. Das nennt man "Serendipity ".

Und wir nehmen uns hier heraus, aus dem langen Gespräch einen Teil jener Passagen herauszuscheiden und an dieser Stelle komprimiert vorzuführen, in der Rainer von seiner Sicht auf das und seine Erfahrungen mt dem Internet spricht - ausgehend von der Frage, warum er sich zu einer Teilnahme am RTL-Dschungelcamp habe überreden lassen [4]:

VII.

Kurze Anmerkungen, die im Verlauf der Videoschalte notiert wurden:

 In dem hier oben gesetzten Link wird das Wort "Bundespräsident" auch so als URL eingegeben und nicht unter in der Ausschreibung als "Bundespraesident". Das - alsbald danach auch schnell wieder korrigierte - Ergebnis sieht dann zunächst aber so aus:

 In der Schaltdramaturgie ist der Bundespräsident immer im Grossformat zu sehen. Warum denn das bitte? Denn diese Bilddramaturgie macht tendenziell wieder zunichte, was inhaltlich von den Ausgelobten immer wieder in den Vordergrund gestellt wird, die Gleichwertigkeit der GesprächspartnerInnen:

 Wichtig ist deren Aussage wie: "Wir müssen die Menschen dort abholen, wo wie auch für sich einen Nutzen sehen." "Es ist schön zu sehen, dass es gut ist, zu sehen, dass wir mit unsere Selbsthilfe eine Stärke haben, die funktioniert." "Wir als selbst Betroffene haben die Chance, anderen in einer vergleichbaren Situation helfen zu können." "Es ist so wichtig, dass wir einen ’super Administrator’ haben".

 Dr. Steinmeier berichtet, dass er in den letzten Wochen die Gelegenheit genutzt und mit vielen Menschen mit ehrenamtlichen Engagement telefoniert habe. Das ist gut und glaubhaft. Dennoch bleibt es nach wie vor unklar, wie und auf welchem Wege es möglich sein kann, überhaupt einen solchen Kontakt aufzubauen, wenn man kein Insider, kein Influencer, kein VIP , keiner von jenen anerkannten Multiplikatoren ist...

VIII.

Für 11 Uhr ist ein Speakers Excellence Webinar von Hans-Christian, alias "Chris" Boos angekündigt zu dem Thema: "KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IST EIN MUSS FÜR JEDES UNTERNEHMEN – Jetzt erst Recht!"
Auf seiner eigenen ersten Tafel liest sich der Titel dann so:

Und danach wird unter der Zuhilfename vieler Slides [5] und dieser nachfolgend zitierten Ausführungen und Antworten dieses Thema im Turbo-Format auf den Punkt gebracht.

Die vielleicht wichtigste These: Ki ist keien Optimierungstool für das ausgehenden industrielle Zeitalter, sondern eine konkretes, schon jetzt praktikables prozessorientiertes Werkzeug zur Beschleunigung von Veränderungsprozessen bis hin zur Erfindung neuer Lösungen.

Aber hören Sie / hört selbst, es lohnt sich:

IX.

Über diesen Teil der Digital-Veranstaltung kann und sollte aus Gründen des Urheberrechtsschutzes nicht berichtet werden, aber auch dieser Bildschirm-Termin ist Teil des heute aufgerufenen Themas:

X.

Die ARD geht mit Teilen ihreer Fernseh-Archive Online. Dieses Thema wird heute von den HörerInnen des Deutschlandfunks ab 15:34 Uhr diskutiert. In dem "Im Dialog"-Format der 2017 eingerichteten Sendung @mediares, an diesem Tag moderiert von Bettina Köster.

Anmerkungen

[1Eine vollständige Wiedergabe der Pressekonferenz mit Thomas de Maizière (Vorsitzender der Telekom-Stiftung) und Werner Süßlin (Projektleiter im Institut für Demoskopie Allensbach) findet sich hier:

[210.00 Uhr
Schloss Bellevue
Gespräch mit den Gewinnerinnen und Gewinnern des Preises für digitales Miteinander in den drei Kategorien Digitale Teilhabe, Digitales Engagement und Digitaler Zusammenhalt in Zeiten von Corona
 Livestream unter www.bundespräsident.de

11.30 Uhr
Schloss Bellevue
Ansprache und Videoschalte mit je drei Bürgerinnen und Bürgern aus den Digitalen Dörfern Betzdorf (Rheinland-Pfalz) und Ovenhausen (NRW)
 Livestream unter www.bundespräsident.de

[3Donnerstag, 18. Juni 2020
13.00 Uhr
Tech4Germany, Zionskirchstr. 73a
Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Trägerorganisationen des Hackathons „WIRvsVIRUS“ (Tech4Germany, Code for Germany / Prototype Fund, Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, ImpactHub Berlin, Initiative D21, ProjectTogether)

[4Siehe dazu das 5 Jahre danach im Tagesspiegel geführte Interview vom 16. Januar 2016: Rainer Langhans über das Dschungelcamp „In der Kommune lief das anders“.

[5


12456 Zeichen