Die grosse Sternstunde des Kleinen Kinos

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 18. Oktober 2005 um 09 Uhr 23 Minuten

 

Unter dem Motto "Die Zukunft im Kino ist digital und die Kleinen werden die Ersten sein!" ist ab diesem Wochenende mit der Premiere vom Freitagabend, den 12. November 2004, eine Sternstunde des Kinos angebrochen.

Europaweit wurde an diesem offiziellen Startwochenende ein einheitliches Programm digital ausgespielt und damit das erste europäische digitale Kinonetzwerk in Betrieb genommen. Deutschland ist mit "sieben kleinen Kinolein" an den Start gegangen und weitere werden nachziehen.
Die Vorreiter sind:
 die Schauburg in Bremen
 das Kommunale Kino und das Apollo Studio in Hannover
 das Filmhaus in Nürnberg
 das Kino Kleine Fluchten in Schorndorf
 das Bali in Kassel und
 die Hackesche Höfe Filmtheater in Berlin.

Der zentrale Startschuss für das
CinemaNet Europe in Deutschland fiel in den Hackesche Höfe Filmtheatern in Berlin am 12. November um 20 Uhr mit dem Eröffnungsfilm
PEACE ONE DAY von und mit Jeremy Gilley.

Der Präsentation des Films vorgeschaltet waren kurze Ansprachen der Initiatoren und eine Demo der Leistungsfähigkeit der Projektoren [denen der Veranstalter fast eine Liebeserklärung machte, da sie auch unterhalb jener von den US-Film-Majors geforderten Normen offen-sichtlich in der Lage waren, ein mehr als nur passables Bild - inklusive Untertiteln - an die Leinwand zu zaubern].

Spannend an diesem Abend war die Live-Schaltung in das Kino
"The Ritzy" . Dort war auf der Vorbühne der Hauptmatador des Films anwesend. Zu Beginn wurde der Start der Ausstrahlung des Films für alle in Europa zugeschaltete Kinos ausgezählt. Und nach dem Abspann wurde das Bild wieder auf die Vorbühne im Ritzy geschaltet, von wo aus die Fragen aus dem Publikum beantwortet wurden. Das interessante war, dass auch diese Fragen nicht nur aus dem Saal in London kamen, sondern auch aus Amsterdam, Berlin, Glasgow und Wien.

Was immer auch die Zukunft des interaktiven Kinos sein mag: sein Publikum hat uns wissen lassen, dass seine Interaktion im Dialog mit dem Regisseur die Basis seiner Zukunft sein könnte.


Die an dieser Stelle zur Eröffnung unter dem Link: "http://www.eurodocuzone.nl/launch.html" eingestellten Bilder von den Parallelereignissen in Frankreich, den Niederlanden, der Slovakei, Spanien und dem Vereinigten Königreich sind unter dieser Adresse nicht mehr zugänglich. [1]

Das gleiche gilt auch für die Zitate aus Pressetexten zu dieser Veranstaltung, die ursprünglich nachzulesen waren unter: "http://www.docuzone.de/index.php?presseII".
Einge von diesen wurden aber zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung lokal gesichert und können daher nachfolgend in einer kleinen Auswahl zitiert werden:


Die Filme für das (höchstwahrscheinlich) größte digitale Filmfestival der Welt - das European DocuZone Opening Weekend am 12. + 13. November - stehen. 8 Länder, 182 Kinos, 1 Programm. Mit den Initiatoren in den angeschlossenen Partnerländern Frankreich, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Spanien und UK wurde ein Programm aus acht Filmen zusammengestellt, das für den regulären Programmstart im Frühjahr 2005 einen hohen Standart setzt und ein eindrucksvolles Bild der Qualität und Bandbreite des Europäischen Dokumentarfilms zeigt. Natürlich fällt es schwer in diesem Zusammenhang einzelne Filme besonders hervorzuheben, hingewiesen sei aber trotzdem auf Jeremy Gilleys PEACE ON DAY, eine Lektion in positive thinking, der bei seiner Weltpremiere auf dem Edinburgh Film Festival im August Kritiker und Publikum gleichermaßen begeisterte und wohl niemanden unberührt ließ sowie den deutschen Beitrag, Werner Herzogs THE WHITE DIAMOND, eine waghalsige tour de force im Luftschiff im Dschungel von Guyana, der atemberaubende Bilder aus nicht gekannten Perspektiven verspricht.

European DocuZone Opening Weekend

PEACE ONE DAY
von Jeremy Gilley - Großbritannien 2004, 80 Minuten - Englisch mit dt. UT

Jeremy Gilley hat eine Vision: Einen Tag lang soll auf der Welt Frieden herrschen. Der junge Brite hält seinen Kampf für PEACE ONE DAY auf Film fest - "wenn mein Vorhaben scheitert, kann das Resultat zumindest ein interessanter Film über eine Welt sein, die sich nicht verändern will." Der Film begleitet Gilley bei seinem sechsjährigen Engagement für den Frieden. Er organisiert Pressekonferenzen, bei denen kein einziger Journalist auftaucht und bricht, anstatt resigniert aufzugeben, in Krisengebiete und Unruheherde auf. Unerbittlich versucht er, bei der UN Unterstützung für sein ehrgeiziges Projekt zu finden - theoretisch begrüßen alle seine Idee, aber konkrete, praktische Hilfe bleibt aus. Gilley trifft Friedensnobelpreisgewinner, Hilfsorganisationen, Freiheitskämpfer, Medienmogule, Staatsoberhäupter und Kriegsopfer auf seiner scheinbar aussichtslosen Odyssee. Er spricht mit einflussreichen Persönlichkeiten wie dem UN Generalsekretär Kofi Annan, Shimon Peres oder dem Dalai Lama. Als der Tag bei den Vereinten Nationen in New York ausgerufen werden soll, zerstören Flugzeuge das World Trade Center. Jeremy Gilley ist geschockt - und setzt seinen Kampf dennoch fort. Dank Jeremy Gilley findet nun jährlich am 21. September ein offizieller Friedenstag, ausgerufen von der UN, statt. http://www.peaceoneday.org

THE WHITE DIAMOND
von Werner Herzog - Deutschland, Japan, Großbritannien 2004, 90 Minuten - Deutsche Fassung, teilweise mit UT

Am Fuß des riesigen Kaieteur-Wasserfalls im Herzen von Guyana, wo sich die höchsten Äste der Bäume mit dem Himmel vereinen, liegt ein Land voller unerforschter Wunder. Der Kronenbereich des Regenwaldes ist Himmel und Hölle für jeden, der sich darauf einlässt. Ein Film über ein waghalsiges Abenteuer: Die Entdeckungsreise im Dschungel von Guyana in einem neuartigen, innovativen Fluggerät - The White Diamond.
Vor mehr als zehn Jahren baute der junge britische Ingenieur Graham Dorrington ein mit Helium gefülltes Flugschiff. Das Flugobjekt ermöglichte ein sehr sanftes und präzises Gleiten unter der Kuppel, die von den Bäumen des Urwalds gebildet werden. Dieter Plage, ein auf Natur- und Tierfilme spezialisierter, risikofreudiger Kameramann, flog mit dem neuen Flugschiff durch den Dschungel von Sumatra und verunglückte während der abenteuerlichen Dreharbeiten tödlich.
Obwohl er das Trauma über den Tod Plages nie wirklich überwunden hat, konstruierte Dr. Dorrington eine neue, weiter entwickelte Version des Luftschiffes und im Frühsommer 2004 startete, dokumentiert von Werner Herzog, die Fortsetzung dieser hochgefährlichen Expedition in den Baumkronen Südamerikas.

BOLA DE NIEVE
von José Sánchez-Montes - Spanien 2003, 73 Minuten - Spanisch mit dt. UT

Bola de Nieve - eine der größten lateinamerikanischen Legenden des 20. Jahrhunderts. Das spannende Portrait des berühmten kubanischen Pianisten und Sängers. Er ist eine mystische Figur, schwarz und schwul, steht auf Seiten der Revolution, aber am wichtigsten ist ihm die Musik. Wer war dieser Mann, der mit seiner charismatischen Stimme Millionen berührte und Edith Piaf, Pablo Neruda, Josephine Baker oder Pedro Almodóvar zu seinen Bewunderern zählte. Bola de Nieve pflegte zu sagen: "Ich bin ein trauriger Mensch, aber meine Lieder sind fröhlich." Ein Film, der den verschlungenen Pfaden seiner Biografie folgt, die auch für seine Fans viel an Überraschungen bereithält und gleichzeitiges das Portrait einer Zeit des Umbruchs in Lateinamerika.

NICHOLAS WINTON - DIE KRAFT DES GUTEN
ein Film von Matej Minác - Slowakei 2002, 69 Minuten - Englisch mit dt. UT

Im Jahr 1939, während der Okkupation der Tschechoslowakei durch die Nazis, rettete der britische Geschäftsmann Nicholas Winton 669 Kindern - die meisten von ihnen Juden - das Leben. Als Schülergruppen getarnt, brachte er sie in Zügen über die Grenze und transportierte sie quer durch Deutschland bis in seine sichere Heimat Großbritannien. Die britische Regierung knüpfte ihr Versprechen, Kinder unter 18 Jahren aufzunehmen, an zwei Bedingungen: Winton musste für jedes Kind ein neues Zuhause organisieren und 50 Pfund anzahlen, um für die eventuell anfallenden Rückreisekosten aufzukommen. Nicholas Winton ist heute 94 Jahre alt und lebt in Maidenhead bei London. Im März 2003 wurde der "britische Schindler" von Queen Elisabeth II. zum Ritter geschlagen.
Emmy Award als bester Dokumentarfilm.
http://www.wintonfilm.com/

DANCE, GROZNY, DANCE
von Jos de Putter - Niederlande 2003, 75 Minuten - Tschetschenisch & Russisch mit dt. UT

Grozny. Nach zwei Unabhängigkeitskriegen gegen Russland liegt die Stadt immer noch in Trümmern. Vor den Ruinen der Hauser probt eine Tanzgruppe bestehend aus Straßen- and Waisenhauskindern den Kaukasischen Tanz. Der Film bricht mit der Company zu ihrer Europatournee auf und kehrt doch immer wieder in das kriegsgebeutelte Tschetschenien zurück. Die jungen Tänzer feiern Erfolge an den renommiertesten und glamourösesten Bühnen der Welt - der Himmel ist dunkel vor lauter Bomben, die jungen Männer sterben im Krieg, Minen pflastern die Straßen. Die Kinder werden nicht allein vom Wunsch, auf der Bühne zu stehen, angetrieben, sondern brauchen die Kunst als Überlebensstrategie. Sie versuchen, dem Krieg zu trotzen und Europa ein Bild von Tschetschenien zu zeigen, das nicht nur aus Terror besteht.
Am Ende des Films kommen die Kinder zu ihren Eltern nach Tschetschenien zurück, wo der Krieg allgegenwärtig ist. Ein normales, ruhiges Leben scheint hier für die jungen Tänzer unmöglich.
Chicago International Documentary Festival: Chicago Doc Grand Prix

FLEURETTE
von Sérgio Tréfaut - Portugal 2002, 80 Minuten - Portugiesisch mit dt. UT

Die Spurensuche eines Sohnes in der bewegten und undurchsichtigen Vergangenheit seiner 79jährigen Mutter Fleurette. Gegen ihren Widerstand und mit dem Unwillen, sich seinen Fragen zu stellen, kommen Stück für Stück Ereignisse zum Vorschein, die eigentlich dem Vergessen anheim gefallen sind.

MY LOUIS ARMSTRONG YEARS
von Mohamed Kounda - Frankreich 2003, 85 Minuten - Englisch mit dt. UT

Glinda und ihr 17jähriger Sohn Chantz aus Mississippi verbringen ihr Leben ’on the road`. Er, ein musikalisches Wunderkind, spielt die Trompete und tanzt in den Straßen, U-Bahnen und auf den Bühnen dieser Welt. Chantz ist für seine Mutter nicht nur die Projektion ihrer eigenen Träume, er ist auch die einzige Hoffnung für eine Frau, die sich aus dem Dreck ziehen und noch etwas von ihrem Leben haben will. Eine schwere Last für Chantz, die der Beziehung zwischen Mutter und Sohn eine starke Ambivalenz verleiht. Beiden gemeinsam ist die Liebe zu Louis Armstrong und der Wille zum Erfolg. Die Hassliebe zwischen Mutter und Sohn überträgt sich auf den Film, der gleich einem Blues oder einer Jazz-Improvisation zwischen Zärtlichkeit und Konflikt, zwischen Freude und Schmerz, Tempo und Stillstand pendelt.

I AM FROM NOWHERE
von Georg Misc - Österreich 2002, 80 Minuten - Slowakisch mit dt. UT

Das kleine 150 Seelen Örtchen Miková in der östlichen Slowakei ist längst kein unbekannter Flecken mehr. Es ist der Geburtsort von Andy Warhol und immer noch bevölkert von der weitläufigen Verwandtschaft des Künstlers. Einige Filme haben sich bereits dieses Themas angenommen und eine große Medienaufmerksamkeit für den Ort gebracht. Mischs Film dokumentiert den daraus resultierenden Wandel im Dorf. Ein Film über die Träume und Hoffnungen vom besseren Leben und den Mythos vom "Amerikanischen Traum", der sich für die Dorfbewohner allerdings völlig anders darstellt, als sie erwartet haben - 15 minutes of fame für Miková. http://www.iamfromnowhere.com/

European DocuZone: Kurzer technischer Abriss

Nach einer intensiven Test- und Auswertungsphase von fast einem Jahr sind nun die technischen Entscheidungen gefallen.

Den Kinoserver liefert die Firma GDC Technologies mit Sitz in Hongkong und Singapur. Bei dem Gerät handelt es sich um eine extra für das Projekt entwickelte Variante des sogenannten Z-Servers, der gleichzeitig als Kinoserver und Kinoplayer fungiert und Filme in vollen 2k abspielt. Der Z-Server gehört zu den derzeit am weitesten verbreiteten Systemlösungen und wurde insbesondere in China, Indien und den USA aufgestellt. Er hat ein volles DCI Approval, ist also auch für die Speicherung und Ausspielung von sogenanntem Hollywood Content geeignet.

Software Decoding und die Erstellung von Untertiteln erfolgen über eine Software, die uns größte Flexibilität in Hinsicht auf die Weiterentwicklung der Standards bietet. Existierende Kinoautomatiken (z.B. Vorhang, Licht und Musik) können über eine Schnittstelle angesteuert werden und der Server lässt sich sehr einfach an die bestehenden Tonanlagen anschließen, da kompletter Sechskanalton über analoge Ausgänge ausgegeben wird..

Gleichzeitig kann der Server verschiedenste Bildraten, Auflösungen und Kompressionsstandards bewältigen. Er basiert auf LINUX was zusätzlichen Schutz gegen Viren bietet. Der Speicher von über einem Terabyte kann die im normalen Spielbetrieb eines Arthousekinos zu erwartende Datenmenge ohne Probleme aufnehmen. Auch für die Kinowerbung ist mehr als ausreichend Platz. Die Daten können über Festplatten oder Satellit zugespielt werden (DVB-ASI/DVB-IP). Das User Interface besteht aus einem Touchscreen und der Vorführer löst die Vorführung durch einen simplen Startknopf aus.

Der Projektor kommt aus dem Hause Panasonic und ist speziell für mittlere bis große Räume konzipiert. Mit 7.000 ANSI Lumen, einem Kontrastverhältnis von 4.000:1 und einer 1.400x1.050 SXGA+ Auflösung garantiert er eine unvergleichliche Helligkeit und ausgezeichnete Bildqualität.

Der Projektor ist mit einer gekapselten, staubunempfindlichen und flüssiggekühlten optischen Einheit ausgerüstet. Das Panasonic-eigene BriteOpticT-Dual-Lampen-System liefert ein außergewöhnlich helles und brillantes Bild. Diese Technik garantiert zudem eine sehr hohe Betriebssicherheit. Sollte während der Projektion eine Lampe ausfallen, kann die Präsentation mit der anderen Lampe bei ausreichender Helligkeit fortgesetzt werden.

Das Setup geschieht nahezu vollautomatisch. Außergewöhnlich flexibel sind die Anschlussmöglichkeiten des Projektors. Der Anwender hat die Wahl zwischen zwei RGB- und drei Videoeingängen (Komponenten, FBAS und S-Video). Selbstverständlich sind die Geräte HDTV-tauglich und synchronisieren automatisch Videosignale in den verschiedenen Formaten. Abhängig vom Signal werden 4:3- oder 16:9-Bilder projiziert. Es besteht die Wahl zwischen vier verschiedenen optionalen Optiken, die auf unterschiedliche Projektionsentfernungen abgestimmt sind.


Die Revolution frißt ihr Zelluloid

Heute startet in Deutschland das erste Netzwerk digitaler Kinoprojektion

von Hanns-Georg Rodek

Revolutionen pflegen ihre Botschaft lärmend selbst in die verschlafensten Winkel zu trompeten. Die Revolution jedoch, die in unseren Kinos mit dem heutigen Tag beginnt und die größte Umwälzung seit Einführung des Tonfilms mit sich bringen wird, besitzt bloß ein Ziel: nur nicht auffallen.

Es ist einer dieser stillen Umstürze, die dem Kunden gar nicht bewußt
werden, wie das Mehl aus Gen-Getreide, das plötzlich mit im Regal
steht. Den Kinokunden wird irgendwann das Gefühl beschleichen, das
Bild auf der Leinwand sehe irgendwie anders aus als bisher, aber er
wird diesen Eindruck nicht in Worte fassen können und sich daran
gewöhnen.

Dann dürfte die digitale Revolution bereits in vollem Gange sein, und
ihre Triebfeder wird (wie bei den meisten Revolutionen heute) nicht
eine weltanschauliche oder künstlerische sein, sondern eine
kommerzielle. Über vier Milliarden Euro geben die Verleiher jedes Jahr
weltweit aus, um 35-Millimeter-Zelluloidkopien von ihren Filmen
herzustellen - pro Kopie gut 1000 Euro -, und diese Summe möchten sie
sich sparen. Die Technik ist im Prinzip bekannt und erprobt: Ein
Server funkt den digitalisierten Film zu einem Satelliten, der sendet
ihn zur Satellitenschüssel des Kinos, dort wird er dekodiert und
zwischengespeichert - und nach der Werbung drückt der Vorführer auf
einen Knopf, und aus dem Projektor schießt der Lichtstrahl, nur eben
aus digitaler statt analoger Quelle.

Das klingt so harmlos, als würde man mal eben einen Platten- durch
einen CD-Spieler ersetzen, doch hängt ein Rattenschwanz an
Konsequenzen daran, auch für den Kinonormalverbraucher. Zu allererst
die Frage der Bildqualität. Die "Digital Cinema Initiatives" (DCI),
ein Bündnis der Hollywood-Konzerne zwecks Festlegung von Standards,
verlangen eine Auflösung von 4K (3840 x 2160 Pixel); 35-mm-Zelluloid,
zum Vergleich, liefert 4000 x 3000 Bildpunkte. Das wäre erheblich
teurer als die ebenfalls gehandelten 2K- oder 1,3K-Projektoren, aber
das wahre Kino muß den Vorsprung gegenüber dem "Heimkino" wahren, das
mit 1K-Systemen ins Wohnzimmer drängt.

Die nächste drängende Frage lautet, wer die Revolution bezahlt. Sollen
die Kinos ihre neuen Projektoren selbst anschaffen - bisher mit
150 000 Euro pro Stück veranschlagt, obwohl Sony nun einen für den
halben Preis angekündigt hat - oder die Studios, die ihre Kopienkosten
sparen (oder, so eine originelle Variante, die Werbeagenturen, die
ihre Spots gern digital anliefern würden)?

Die Machtbalance der ehernen Kinodreifaltigkeit aus Produzenten -
Verleihern - Theaterbetreibern, seit 80 Jahren kaum verändert, gerät
in Bewegung; manche fragen sich sogar, ob die Verleihbranche, u.a.
zuständig für die Verteilung der Kopien, nicht ganz auf der Strecke
bleiben könnte.

Die beste Politik ist vermutlich eine Digitaloffensive, und zu dieser
startet nun die Berliner Edition Salzgeber, ein kleiner feiner
Nischenverleih, mit der durch EU-Gelder geförderten "DocuZone". In
sieben Kinos (siehe unten) werden heute und morgen die gleichen
Dokumentarfilme gezeigt, darunter die Premiere von "The White
Diamond", Werner Herzogs Flug über den guayanischen Urwald. Seinen
regulären Dienst nimmt das Digitalnetzwerk kommenden März auf, und
dann werden mindestens 180 Kinos mit 2K-Projektoren hierzulande, in
Frankreich, Österreich, Portugal, Spanien, England, der Slowakei und
den Niederlanden angeschlossen sein. Einmal pro Woche - mittwochs um
18 Uhr - strahlt dann der Berliner Server einen Dokumentarfilm auf die
Leinwände; genausogut könnte er auch Livekonzerte, Fußballspiele oder
Boxkämpfe übertragen und das Kino zum Event-Treff weiterentwickeln.

Die Salzgeber-Intention ist klar: die Nischen für die eigenen Filme
(und anderer Kleinverleiher) zu weiten. Die Absicht der Majors ist die
entgegengesetzte: den Markt noch mehr zu dominieren. Der letzte "Harry
Potter" startete mit 1100 Kopien auf jeder vierten deutschen Leinwand;
wer keine teuren Kopien mehr ziehen muß, könnte theoretisch auch 2200
Kinos mit dem gleichen Film bestücken. Bei einem vermutlichen Flop
könnte man mit Riesenwerbeaufwand viel mehr Zuschauer in viel mehr
Säle locken, bevor die Mundpropaganda den Film abschösse.

Hinter den Pixelzahlen verbirgt sich einmal mehr der Kampf um die
Angebotsvielfalt in unseren Kinos; nur wer die neue Technik meistert
und die Infrastruktur besitzt, wird noch Zugang zum Kinomarkt finden,
dem bestehenden und künftigen. Die Majors etwa schielen heftig nach
China, wo 33 000 (!) Leinwände der Bespielung harren.

Sie wissen aber, daß sie mit dem Digi-Kino gleich mehrere Büchsen der
Pandora öffnen. So wittern sie überall die Hacker und Raubkopierer,
deren Ansatzpunkte sich vervielfachen, insbesondere mit der
Zwischenspeicherung in den Kinos, die vorläufig unvermeidbar sein
dürfte. Es ist eine wahrhaftige Revolution, und es gibt noch Karten
dafür, heute und morgen.

© WELT.de 12. November 2004
http://www.welt.de/data/2004/11/12/358871.html


Und Anke Westphal in der Feuilleton der Berliner Zeitung zum Streit ums digitale Kino. [2]

Heute startet das Projekt European Docuzone in Berlin

Achtzehn unabhängige deutsche Filmverleiher haben eine Resolution unterzeichnet. Sie protestieren gegen ein Projekt, dass dem europäischen Publikum mit Hilfe neuer, digitaler Kinotechnologie eher wenig profitable, aber interessante Filme anbieten will. European Docuzone (EDZ) heißt das Projekt und ist eigentlich eine gute Sache, denn es soll die Kosten für Erschließung und Projektion dieser Filme niedrig halten: Sie werden digital via Satellit in die am Projekt teilnehmenden Kinos versendet. Ein Netzwerk des unabhängigen Kinos, eins für Arthouse- und Dokumentarfilme, ist notwendig (und nun auch technisch möglich), denn für das Jahr 2006 wird die Einführung des digitalen Kinos in den Multiplexen erwartet. Und da die Umstellung der Kinos auf die neue Technologie sehr kostspielig ist, befürchten Arthouse-Kinos und -Verleihe ein Monopol der großen Kinokonzerne.

In diesem Kontext gilt European Docuzone als Vorzeigeprojekt, in dem sich nicht weniger als die Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit kleinerer Arthouse-Firmen manifestieren sollte. Bis 2006 sollten europaweit 175 digitale Projektoren in den Programmkinos installiert und an den Server eines Play-Out-Zentrums angeschlossen werden. Der Berliner Filmverleih Salzgeber hat die aus Holland stammende Idee der EDZ hier zu Lande auf den Weg gebracht. Dafür gab es 2003 den Innovationspreis der Filmförderungsanstalt aus der Hand der Bundeskulturministerin: Technischer Fortschritt, begrenzte finanzielle Möglichkeiten und inhaltlicher Anspruch schienen in der EDZ versöhnt.

Eine Sache also, die jedem Cineasten am Herzen liegen müsste, aber es kommt keine rechte Begeisterung auf. Im Mittelpunkt der Kritik der Verleiher, zu denen unter anderem die Berliner Firmen Piffl Medien und Neue Visionen gehören, stehen Nutzungs- und Bezugsbedingungen für die EDZ und die Kommunikationspolitik der Projektbetreiber. Salzgeber wird vorgeworfen, eine Monopolstellung anzustreben und den Marktzugang kontrollieren zu wollen. Man argwöhnt sogar, dass ein Projekt des privatwirtschaftlichen Interesses als Gemeinschaftsprojekt verkauft wird. Dieser Argwohn nährt sich davon, dass wichtige Fragen bislang ungeklärt blieben: Wer etwa wählt die Filme aus, die einmal wöchentlich oder aber nur alle zwei Wochen (das steht noch nicht fest) an einem bestimmten Abend europaweit digital in die Kinos ausgestrahlt werden? Wer legt fest, welche Kinos Projektoren erhalten; wem gehören die Projektoren? Und spart das Projekt tatsächlich Geld? Derzeit müssten Verleiher ihre Filme zweifach aufbereiten: für herkömmlich und digital ausgerüstete Kinos.

In Verhandlungen mit der Interessengemeinschaft der Programmkinos AG Kino, die die deutschen Teilnehmer-Häuser vertritt, hat man sich auf 26 "Sende"-Termine geeinigt, wovon zwölf Tage für Dokfilme vorgesehen sind, die europaweit zeitsynchron laufen. Weitere zwölf Termine sind für andere Titel vorgesehen, die mehrheitlich (von wem?) ausgewählt werden sollen, und die verbliebenen zwei für Events. Außerdem ist der Dachbegriff European DocuZone mit der Abkehr von einer rein dokumentarischen Ausrichtung in CinemaNet Europe umbenannt worden. Jedem Land ist zudem freigestellt, mit eigenem Namen zu operieren. "Deutsche Delikatessen" heißt es in Deutschland.

Wie viele Kinos zum regulären Start der DocuZone im Januar 2005 antreten, ist noch offen.

www.BerlinOnline.de © 2004 BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG

Nachzulesen sind die Positionen im Wortlaut unter
"Programmkino.de"


THE LAST LOOP READS AS FOLLOWS.

from: Screen Digest’s E-CINEMA ALERT #143 written by Patrick von Sychowski, distributed: 01.12.2004 13:14

Despite some last minute worries about hardware deliveries and uplink issues, CinemaNet Europe had a successful launch on the weekend of 12-13 November. Several documentaries screened all over Europe and the opening film "Peace One Day" was followed by Europe’s first ever live interactive Question and Answer session in high definition with the film’s director in the Ritzy Cinema in London.

I could not make it, but I had my spies deployed all over Europe. This is what one of them wrote:

"Things went pretty spectacularly at the GFT in Glasgow. The audience got so excited when they were connected to the satellite for the Interactive Q&A that their applause sent the needle off the meter and we were temporarily disconnected! You should have seen them when they discovered there was a free bar afterwards. All joking aside the Interactive Q&A is a new paradigm for cinema."

My correspondent is right. Interactive Q&A (IQA?) has been done before, most recently for The Village by Regal and City Screen as well as the Bowie event, but even in the late 1990s in Europe by Babelsberg Cybercinema and in the US by Network Event Theatres. The trick for CNE will be to make it a regular and established part of their offering. While it is not likely to ever be a revenue generator it can be a strong unique selling point in the future.

You can read the background (if you have a subscription) on SD’s Intelligence service:
http://www.screendigest.com/online_services/intelligence/cinema/
updates/Update_Digital_Cinema_Intelligence_2004_09_17_eb4.stml/view

The best coverage of the launch has so far been in German media [...] [3].

Anmerkungen

[1Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese nicht zum Beispiel auf die Adresse des neuen Namens-Servers "http://www.cinemaneteurope.com/events.html" migriert worden sind.
Ereignisse dieser Art haben eine Bedeutung, die über den Tag hinaus gilt und sollten auch entsprechend dokumentiert werden. WS.

[2Dieser Bericht war zunächst unter der Adresse "http://www.BerlinOnline.de/berliner-zeitung/feuilleton/394582.html" vorgehalten worden, ist dort aber nunmehr auch nicht mehr abrufbar.
Damit zeigt sich einmal mehr die Zweischneidigkeit des Themas "Zitatrechte". Zum einen haben die Autoren das Recht, dass ihre Texte nicht "unter Wert" vervielfältigt werden, auf der anderen Seite ist bei dem Wegfall der Zugriffsmöglichkeiten auf ihre Texte der hier geübten Praxis einer weitergehenden "Textbevoratung" sogar ein gewisser dokumentarischer Wert nicht abzusprechen. WS.

[3nachfolgend wird auf den oben schon zitierten Artikel von Hans-Georg Rodek
http://www.welt.de/data/2004/11/12/358871.html
sowie auf eben diese Publikation "DaybyDay" verwiesen.


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