Berlinale: "Back to the US-roots?" Pro & Contra

VON Dr. Wolf SiegertZUM Donnerstag Letzte Bearbeitung: 18. Februar 2023 um 22 Uhr 33 Minutenzum Post-Scriptum

 

BERLINALE 1951:Die USA als Gründer, Pan Am als Hauptsponsor zur Promotion des ersten Films aus dem Jahr 1940: Alfred Hitchcocks Klassiker "Rebecca" im Titania-Palast Kino mit Joan Fontaine in der Hauptrolle.

Vor Jahr und Tag: Wurde das "Deutsche Kino" mit 3D-US-Technik in Berlin gefeiert, hier (v.l.n.r.) mit Wenders, Merkel & Neumann.

Und heute: Wieder ist ein US-Konzern der Haupt-Sponsor für die Mobilitätsdienste, diesmal vor Ort.

© Uber / Adam Berry

Am 14. Februar 2023 gingen per Mail diesen Mitteilungen ein:

PRO

Die Partner der Berlinale

Uber
Die Mobilitätsplattform Uber wird Hauptpartner der Berlinale und unterstützt das Festival bei der Realisierung des VIP-Shuttle zur Vorfahrt von Filmteams und Festivalgästen am Roten Teppich. Für die praktische Umsetzung kooperiert Uber mit einem lokalen Mietwagen-Partner, über den die erforderliche Kapazität an Fahrzeugen und Fahrer*innen bereitgestellt wird. Sämtliche Limousinen für den Berlinale VIP-Shuttle werden zur 73. Edition erstmalig mit moderner und nachhaltiger Wasserstofftechnologie angetrieben und sind somit emissionsfrei unterwegs. Uber plant außerdem zahlreiche Aktivitäten, um dem Berlinale Publikum die Anreise zu den Spielstätten und die Heimfahrt zu erleichtern.

V.i.S.d.P.: Uber | Tobias Fröhlich | Head of Communications DACH, presse@uber.com

CONTRA

Nein zu Uber als Hauptsponsor der Berlinale

In diesem Jahr ist es dem Uber-Konzern gelungen, sich als Hauptsponsor der Berlinale ins Scheinwerferlicht zu drängeln. Damit stellt sich das Filmfestival auf die Seite des weltweit tätigen Zerstörers von Existenzen. Das kann eigentlich nicht sein und darf sich nicht wiederholen.

Ich habe selber von 1985 bis 2019 als Taxifahrer gearbeitet und helfe jetzt im Auftrag des Berliner Arbeitslosenzentrums evangelischer Kirchenkreise e. V. (BALZ) den Kolleginnen und Kollegen in ihren Sorgen und Nöten.

Als Berliner Taxi-Soziallotse erlebe ich, wie schlimm es für die alle am Steuer der Berliner Taxis ist, kaum noch von seiner Arbeit leben zu können. Eine wesentliche Ursache dafür ist das Lohndumping, dem die brutal ausgebeuteten Angestellten der von Uber abhängigen Mietwagenbetriebe ausgesetzt sind.

Als langjähriger Berlinale-Besucher und als Taxifahrer bin ich entsetzt darüber, dass der Festivalleitung ein gutes Stück weit der Blick auf die Lebenswirklichkeit in ihrer Stadt abhanden gekommen ist. Der Uber-Konzern ruiniert nicht nur die unabhängigen Berliner Taxibetriebe sondern ist ein erklärter Feind jeder öffentlichen Daseinsvorsorge. Er hat beispielsweise ein Programm zur privaten Übernahme der staatlichen Arbeitsagenturen unter der Bezeichnung "Uber Works" entwickelt.

Deshalb stelle ich der Berlinaleleitung, Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth, und dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer die Frage, wie der angerichtete Schaden behoben und die Vereinbarkeit von Sponsoren mit grundlegenden ethischen Kriterien in Zukunft sichergestellt werden kann.

Gemeinsam mit dem Beauftragten für Halteplätze der Berliner Taxiinnung bitte ich die Leitung der Berlinale, etwas für Besucherinnen und Besucher und für die Berliner Taxis zu tun.

Die Berlinale soll direkt vor allen Festivalkinos Taxihalteplätze einrichten. Außerdem soll die Taxizentrale über das Ende aller Veranstaltungen vorab informiert werden, damit sich die Taxis für Festivalbesucherinnen und -besucher bereithalten können.

Ich werde am Donnerstag, den 16. Februar 2023 bei der Berlinale-Eröffnung am Marlene-Dietrich-Platz gemeinsam mit der AG Taxi von der Gewerkschaft ver.di unserem Protest Ausdruck verleihen.

Stellungnahme auf meiner WWW-Seite:
Nein zu Uber als Hauptpartner der Berlinale
https://txsl.de/86

V..i.S.d.P.: Klaus Meier – Berliner Taxi-Soziallotse [1] meier@berliner-arbeitslosenzentrum.de
Telefonische Information und Terminvereinbarung Dienstag + Donnerstag 14–18 Uhr Mobil +49 176 58 87 37 70

P.S.

Es ist wirklich interessant, welche Reaktionen dieser Beitrag seit den ersten Morgenstunden dieses Tages ausgelöst hat. Sie werden hier exemplarisch wie folgt zusammengestellt:

 auch wenn Uber das immer wieder als Position präsentiere, dass man ’nur’ Vermittler und nicht Beförderer sei, so werde diese Position dennoch auf Dauer juristisch nicht haltbar bleiben
 was denn könne man gegen Uber haben, dort bekomme man doch genau zu sehen, was man für die Strecke zu zahlen habe und werde nicht mit absichtlich gefahrenen Umwegen und dadurch verlängerten Strecken übers Ohr gehauen
 vor dieser Entscheidung für Uber habe es einvernehmliche Gespräche mit der Taxi-Innung gegeben
 die klimafreundliche Ausstattung des Fuhrparks sei doch ein Plus für ein umweltbewusstes Berlin.

Hier ein Auszug aus den Mitteilungen der Berliner Versammlungsbehörde

16.02.2023 18:00 - 22:00 Protest gegen Uber als Sponsor der Berlinale 10785 Alte Potsdamer Str. 5
16.02.2023 18:00 - 20:30 Berlinale 2023 - Protest gegen Massenbefristungen und für höhere Löhne in den Yorck Kinos 10785 Alte Potsdamer Str. 5

Am 18.02.2023 findet erneut ab 14:00 bis 20:30 Uhr ein Warnstreik im Berlinale Kino International in 10178 Berlin, Karl-Marx-Allee 33 statt: "Protest für faire Löhne in den Yorck Kinos und gegen Streikbrecher*innen von der Berlinale".
Am 19.02.2023 findet ab 10:00 bis 16:00 Uhr ein Warnstreik im Berlinale Kino Filmtheater am Friedrichshain in 10407 Berlin, Am Friedrichshain statt: "Protest für faire Löhne in den Yorck Kinos und gegen Streikbrecher*innen von der Berlinale".

Zu guter Letzt aber ein Publikums-Bild vom Rande des Roten Teppichs, das in diesem Jahr in seiner Diversität und Vielfarbigkeit auch im Mittelpunkt der Berlinale-Plakate stand.

Ohne den Berlinale Bären. Der prangt stattdessen an den Revers der Herrenanzüge in blau-gelber Farbe, in der er in diesem Jahr auch so an die Gewinnerin / den Gewinner des Wettbewerbs verliehen werden wird?

© Ali Ghandtschi / Berlinale 2023

Hier sehen wir die neu gegossenen Figuren noch in den Händen von Carlo Chatrian und Mariëtte Rissenbeek in den Räumen der "Bildgiesserei Hermann Noack", deren Jubiläumsausstellung - am 11. November 2022 noch von Christoph Stölzl eröffnet - leider schon kurz vor der Berlinale-Eröffnung wieder geschlossen hat.

Anmerkungen

[1Der „Berliner Taxi-Soziallotse“ ist ein Projekt des BALZ in Kooperation mit dem Landesbezirk Berlin-Brandenburg der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, gefördert aus Mitteln der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Programm „Solidarisches Grundeinkommen“).


4338 Zeichen