Die DNB und das Digitale Nationale Bewusstsein (II)

VON Dr. Wolf SiegertZUM Samstag Letzte Bearbeitung: 4. März 2023 um 16 Uhr 14 Minutenzum Post-Scriptum

 

Prolog

Der Beitrag Die DNB und das Digitale Nationale Bewusstsein (I) mit einer Reihe von rückblickenden Querverweisen ...

Diese Beispiele zeigen - bei allen Unwägbarkeiten über die Zukunft der Bewahrung des kulturellen Erbes in einem digitalen Umfeld und Referenzrahmen -, dass schon damals eine offensichtlich richtungsweisende Entscheidung getroffen worden war, die eigenen Einträge nicht auf Firmen-Accounts zu platzieren, auf deren Verwaltung kein Einfluss genommen werden kann, geschweige denn auf deren Bestand - auch über die eigene Lebenszeit hinaus.

... hat so viel Interesse ausgelöst, zu weitergehenden und weiterführenden Fragen - und Vorschlägen - geführt, dass an dieser Stelle das Thema nochmals aufgegriffen und - über die bereits rückblickend zusammengetragenen Beiträge hinaus - mit einem Ausblick auf die bevorstehenden Aufgaben skizziert wird.

Dieser Text wird im Entwurf zunächst als sogenannte "Preview"-Fassung erstellt, ist also noch nicht responsive auf jedem Smartphone zu lesen, und wird dann am Donnerstag, den 2. März 2023 freigeschaltet.

Bis dahin ist das Ganze eine redaktionelle Grundlage, zu der auch weitere Beiträge und Hinweise gerne angenommen werden.

Um wesentliche Entwicklungslinien und Schnittpunkte aus den zuvor als Link aufgerufenen Beiträgen zusammenzufassen, sei hier nochmals in Erinnerung gerufen.

2000

Mit Beginn des neuen Jahrtausends war klar, dass es mit der klassischen Print-Welt so nicht mehr lange weitergehen würde, während es zugleich grosse Befürchtungen gab, dass mit dem Jahreswechsel viele Rechner nicht mehr betriebsfähig sein würden [1], weil vielen Programmen und Betriebssystemen die Jahreszahlen ’nur’ zweistellig und nicht vierstellig geschrieben worden waren.

Spätestens ab diesem Moment war aber auch klar, dass nach der Elektrifizierung der Kommunikation nun auch deren Digitalisierung auf Dauer angelegt sein wird, egal, ob man das nun persönlich für gut erachten würde - oder auch nicht.

Es gab schon in diesen Jahren viele Projekte und Investitionen, an denen der Autor zum Teil massgeblich beteiligt war, die diese Entwicklungen vorantrieben: Von der Einrichtung von digitalen Arbeitsplätzen in den Redaktionen (Projekt "Zugmieze" bei Burda) bis hin zum Abschied von der sogenannten "braunen Ware" in der Unterhaltungsindustrie (auf der IFA).

2004

Allein bei vielen Verlagen und Redaktionen gab es zwar ein wachsendes Interesse an diesem Thema, aber zugleich eine grosse Scheu, dieser Herausforderung mit neuen Piloten in der Praxis zu begegnen.

Zu diesem Zeitpunkt gab es schon via ISDN ausgelegte digitale End-zu-End-Verbindungen, erste Online-Portale wie AOL (an deren Einführung in Deutschland der Autor ebenfalls beteiligt war) und T-Online (in dieser Zeit war der Autor als Berater des DTAG-Marketing-Vorstandes engagiert). Aber open-source-content-management-Systeme wie WordPress waren gerade erst gegründet worden.

Dennoch war aus eigenem Antrieb die Devise "nicht länger warten, sondern starten". Und da kamen die Erfahrungen aus dem französischen Exil, der zusätzlichen Ausbildung am CFPG und der Umstand zu gute, dass es dort bereits ein im journalistischen Umfeld wirkmächtig eingesetztes Redaktionssystem gab: SPIP:

SPIP ist das meistgebrauchte freie CMS im französischsprachigen Raum, wird aber auch in zahlreichen anderen Sprachräumen angewandt. Es wird heute für über 25.000 Websites benutzt und ist dank seiner freien Lizenz (GNU GPL) jedem zugänglich.

2005

Über die technischen Herausforderungen gleich noch mehr. Zunächst einmal war es die Entscheidung, von vorn herein daruf zu dringen, dass es hier nicht nur um den Entwurf eines neuen Blog-Konzeptes geht, sondern, dass diese Arbeit im journalistischen wie im verlegerischen Umfeld als Referenz für zukünftige Entwicklungen erkannt und anerkannt wird.

Also, und das ist ja im vorangegangenen Beitrag schon angesprochen worden, wurde sogleich mit der Fertigstellung der ersten Oberfläche in Gestalt eines Kalenders bei der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/Main vorgesprochen und der Antrag auf die Erteilung einer ISSN-Nummer gestellt.

Damals war die Schar der ebenso sympathischen wie auf dieses Ansinnen nicht vorbereitete Mitarbeiterinnen sehr spontan in ihren Reaktionen und es hiess, dass ein solcher Antrag durchaus positiv geprüft werden könne, wenn es denn gelänge, wirklich jeden Tag in einem werbefreien Umfeld einen Beitrag zu schreiben... "Gesagt, getan!§: Auch wenn sich die Verhältnisse heute anders darstellen, war es damals als start-up sogar eher eine Erleichterung, keine Werbepartner akquirieren zu müssen. Die Ende 2003 im Netz eröffnete Plattform wurde nach einer ausführlichen Titelschutzprüfung "DaybyDay" genannt. Und am 20. Jänner 2005 wurde die ISSN-Nummer 1860-2967 zugeteilt. [2]

20xx

Soweit, so gut. Nun aber beginnen die Mühen der Ebene. Zusammengefasst in der Frage, wie die DNB die tagtägliche Anlieferung eines elektronischen Belegexemplars annehmen und speichern kann, bzw. was wir von unserer Seite zu tun haben, damit dieses auch technisch gewährleistet werden kann.

Solange der bis heute noch im Startbildschirm sichtbare Kalender - eine echte USP - noch in reinem HTML programmiert war, konnte dieser auch, wie das im Fachjargon nennt, gecrawlt werden. Damit war es aber irgendwann (20xx12 ?) vorbei. Danach wird aus dem jeweils pro Monat neu erstellten und tagtäglich erweiterten Artikeln auf der Basis eines Templates ein JQueryFullCalendar Modul mit Daten im JSON-Format befüllt.

Das war aus der eigenen Sicht eine durchaus gelungene Alternative, stellte aber alle Seiten vor neue Herausforderungen, da, anders als in den ersten Jahren, eine automatische Erfassung der Inhalte nur als "Sitemap", nicht jedoch im Kalenderlayout möglich war. Ganz abgesehen davon, dass diese Aufgabe inzwischen auch an einen externen Dienstleister ausgelagert worden war und dieser sich zu dem Geld, das im pro Seite zur Verfügung gestellt wurde, kaum irgendwelche Service-Extras erlauben konnte.

[...]

2020

Heute gibt es andere Verfahren, um dieser Misere zu entkommen [3], aber so lange wollten wir nicht warten, da es zu den Essentials dieser Seite gehört, dass sie nicht nur tagtäglich neu beschrieben und gelesen werden kann - und das mit wachsendem Erfolg - sondern dass sie auch in Zukunft - und das bedeutet auch nach dem Schaffensende des Autors und Herausgebers - weiterhin als Zeitdokument eines Vierteljahrhunderts in All-Tags-Geschichten zur transparenten Verfügung und öffentlichen Einsicht zur Verfügung stehen wird.

Damit das Ganze an dieser Stelle nicht zu umfangreich wird, hier der Link auf eine umfängliche Beschreibung des Status quo in diesem Jahr DaybyDay: Retro-Reminiszenz & ResponsiveRoadmap:

In diesem Beitrag ist nachzulesen: Ein State-of-the-Art-Report, eine Skizze mit Ausblicken und ein qualifizierter Rückblicke auf die Geschichte dieser hier aktuell genutzten Onlinepublikation

.

Im Folgejahr wurden dann endlich Lösungen entwickelt und implementiert, die nun wieder - auch rückwirkend - eine vollständige Erfassung aller bis dahin publizierten Seiten ermöglicht - nachdem wir zuvor eine Reihe von Tests mit der "WayBackMachine" erfolgreich abschliessen konnten. Wer mehr dazu erfahren will, bitte schön:
Digital Detox -> Culture Box
"DaybyDay 1860-2967" auf "Archive.org"

2023

Nachdem die Aufgaben der Bestandssicherung und -präsentation endlich gelöst zu sein scheinen, wird es nunmehr unerlässlich sein, die schon 2020 aufgenommenen Entwicklungen an einer "Next Generation" - Version endlich an den Start bzw. so auf die mobilen Screens zu bringen, dass sie tatsächlich voll und ganz „responsiv“ genutzt werden können. Die technischen Anforderungen dafür werden sich erfüllen lassen, allein es bleibt der Auftrag, immer noch zeigen zu können, dass es sich eben nicht nur um den jeweils angesprochenen / dokumentieren Moment handelt, sondern auch um ein Zeitdokument, eingebettet in einer ganzen Kette von Ereignissen.

Es müssen also, einmal mehr, die weiteren und weiterführenden technischen Herausforderungen und Möglichkeiten gekoppelt werden mit dem Anspruch auch die über den Tag hinauswirkenden - ja, sagen wir es ruhig, historischen - Dimensionen mit einzubinden.

Das wird nicht haltmachen auf den Rückblick bis auf den Beginn dieses Jahrhunderts. Sondern bis auf die Zeit des letzten Jahrhunderts: mit dem minutiös aufgetippten Tagebuch des Grossvaters Wilhelm Siegert. Aufgezeichnet seit dem 12. August 2014 und begonnen mit dem Satz: "Ihr Glücklichen an und vor der Front!" [4]. Eine bereits 1983 veröffentlichtes Feature " Fragen an einen Flieger. Auskünfte aus Großvaters Kriegstagebuch. " kann in diesem Eintrag "Da Capo: WW I" nochmals vollständig nachgehört werden.

In der Hoffnung, dass dieses im Technik-Museum archivierte Original endlich digitalisiert wurde, ist es die weitergehende und weiterführende Absicht, diese beiden Zeitdokumente unter dem Arbeitstitel "Krieg und Frieden 2.0" zusammenzuführen. Jedes für sich in seiner historischen Abfolge und dann doch auch zugleich mit zeitlichen wie inhaltlichen assoziativen Bezügen überlappend.

Nachdem 2022 erstmals auf der re:publica BookTok vorgestellt wurde, kann ja der AWM [5] davon träumen, dass das Geschichtenerzählen und die Bezüge auf unsere eigene Geschichte auch ihre eigene Qualität und Wirkung entfalten können sollten.

Epilog

Bei der Vorbereitung dieses Textes wurde auch nochmals geprüft, welche Datenmengen aktuell bei einer Gesamtsicherung bewegt werden müssen und welcher Typus von Daten den grössten Umfang beanspruchen. Und das sind weder die mit eingebundenen Audio- oder gar Video-Files, es sind all jene Fragmente, die permanent bei der Entstehung von jedem der hier online eingeschriebenen Texte entstehen.

Das bedeutet, dass diese Publikation neben den genannten Besonderheiten - die lange und beständige Redaktionsarbeit und die Anordnung in Kalenderform - eine dritte USP hat: die Möglichkeit, in der Dokumentation und späteren Er-Forschung dieses digitalen Konvolutes für jeden Beitrag nachvollziehen zu können, wann und wie und in welchen Schritten er entstanden ist [6]. Dieses Feature nennt sich "Änderungsnachverfolgung", wird auch von Microsoft angeboten, aber so ’gut’ wie gar nicht beim Verfassen eigener Texte eingesetzt. Sei es, weil man davon gar nicht weiss, sei es, weil man die bei der Textgenese entstehenden zusätzlichen Datenmengen scheut. Hier wurde es dagegen konsequent seit Eröffnung dieser Seite Ende 2003 eingeschaltet und bis zum aktuellen Zeitpunkt genutzt, also auch für diese Seite.