Heute ist der offizielle IFA - Start-Termin für:
... die weltgrößte Messe für Consumer Electronics mit über 1.000 Ausstellern und 273.800 Besuchern (2003)
... der Orderplatz Nr. 1 der Branche, mit einem Ordervolumen von 2,4 Mrd. EUR
... eine Fach- und Publikumsmesse zugleich = besondere Services für die Fachbesucher, vielseitige Programmangebote und Events für Endverbraucher
... ein Medienereignis ohne Gleichen: 6.800 akkreditierte Journalisten aus 78 Ländern, 95 Stunden TV-Berichte allein in Deutschland.
Das ist der Text der offziellen KURZBESCHREIBUNG - IFA 2005
Als Kommentar dazu ein Auszug aus der ebenfalls an diesem Tag veröffentlichten aktuellen Ausgabe von "Klick.online"

Ein Beitrag, der dazu beitragen möge, das Geschehen ein wenig nachhaltiger zu erhellen als das Feuerwerk der Ereignisse und Wortkaskaden, das uns diese Tage einmal mehr gefangen nehmen soll.
Dieser Text ist Axel Zerdick gewidmet, der auf der letzten IFA noch unter uns weilte und sich nicht einzumischen scheute. [1]
„Let Me Entertain You“ - oder:
Haben Sie noch Zeit - zu lesen?
Am Anfang war das Wort - am Ende die IFA. Eine Unterhaltung ist ein Gespräch zwischen Menschen - die Unterhaltungsindustrie ist eine Ökonomie der Medien.
Bei allem Zeit- und Kostendruck wird es immer fraglicher, wie wir uns heute noch mit der Zukunft der Medien auseinander setzen. Auch wenn wir eben dies fortwährend behaupten, wohlwissend, dass unsere eigene Zukunft davon abhängt.
Eben weil dem so ist, ist es besonders bedrohlich, ständig über die Zukunftsträchtigkeit eines Produktes, einer Strategie reden zu müssen und zugleich eigentlich keine Zeit mehr zu haben um weiter zu denken, als bis zum Ende des Quartals, des Jahres, der Legislaturperiode.
Nehmen wir die Internationale Funk-Ausstellung zum Anlass einen Moment lang innezuhalten und der sprachlichen Ausstellung eines inneren Geistesblitzes die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schen-ken.
Danke! Denn das ist unser Thema: Die durchaus persönliche Wahrnehmung eines Umstandes, der von Fritz Reheis in einer Kultur-Radio-Sendung des rbb vom 31. Juli 2005 interpretiert wurde als Folge der Überforderung des körperlichen wie psychischen Immunsystems durch jene industriell generierten Reize, mit denen der Mensch „bombardiert“ wird und zu deren Verarbeitung ihm die Zeit fehlt - mehr denn je.
Thesen wie diese scheinen uns so was von lapidar und bekannt zu sein, dass es müßig scheint, noch hinhören zu müssen. Müssen wir doch unsere Aufmerksamkeit darauf richten, zu jenen zu gehören, denen es auch weiterhin gelingt, mit der zunehmenden Beschleunigung in der Arbeitswelt noch Schritt halten zu können - und sei es im Laufschritt.
Es gibt - außerhalb der Welt des Militärs und der Börse - kaum eine Industrie, die so kurzlebig und unkritisch auf zeitkritische Entwicklungen reagiert wie die der Unterhaltung: Und diese so selber mit bestimmt. Es scheint ein unumgängliches Gesetz zu sein, der Erste sein zu müssen, wenn man denn die Nummer Eins werden will. Und wie steht es mit der Regel: „dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot?“ Die Königin aller Geräte und Software ist die „Killer-Application“. Und auch jede andere Anwendung ist noch gut genug, vorausge-setzt, sie bringt neues Geld in die Kasse.
Der Gegen-Satz, man müsse sein Publikum lieben, nicht töten kling provokant und ist dennoch kein solcher. Er legt vielmehr nahe, aus dem Overkill der Reizüberflutungen wiederum eine Strategie zu entwickeln, die in der Lage ist, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen: Als ultimative Massen-Vernichtungs-Waffe für Langeweile.
Schönheit, die bis an die Schmerzgrenze geht, Spannung, die die menschliche Scham zu ihrem Komplizen macht, Schamanismus, der sich in den Gezeiten der Digitalisierung in ständig neuen coolen Downloads als Unterhaltungskünstler offenbart.
Das alles wäre nicht wirklich der Rede wert, wenn wir denn Zeit hätten, darüber zu reden. Im Vergleich zu früheren Epochen ist der von uns noch erlebte Zeithorizont im Vergleich zu dem unserer Vorfahren nur noch sehr kurz. Eigentlich - so Joanna Macy -leben wir in der moder-nen Wachstumsgesellschaft wie eingesperrt: In einer Art Zeitkäfig.
Hören wir auf diesen ebenfalls einfachen Satz, so ist seine Signalwirkung eine doppelte: Es geht um die zunehmende Entfremdung von Vergangenheit und Zukunft und zugleich um eine zunehmende Beschleunigung des Erlebten im Rahmen des uns noch verbliebenen Zeitfensters.
Das bedeutet nicht nur eine wachsende Entfremdung von uns selbst, sondern auch von dem, was jeder von uns als die jeweils „seine Welt“ begreift. Und das - und damit sind wir wieder inmitten des Themas - ermöglicht es der Unterhaltungsindustrie, in einem bis dato kaum gekannten Maße, eigene Welten zu entwerfen und uns zur Identifikation anzubieten. „Offline“ zur Unterhaltung mit uns selbst und „online“ mit anderen: Mit Bekannten und Unbe-kannten, mit Menschen wie mit Avataren. Gegen Geld. Und zu unserer Unterhaltung.
Pervers oder Folge-Richtig? Es ist so, wie wenn Robbie Williams im Rahmen seines Auftritts auf dem „Live-8“-Konzert am 2. Juli aus-gerechnet mit dem Song „Let Me Entertain You“ auf die Bühne kommt. Und alle glauben, damit der Politik beispringen zu können.
Hell is gone and heaven’s here
There’s nothing left for you to fear
[...]
Life’s too short for you to die
So grab yourself an alibi
[...]
Separate your right from wrongs
Come and sing a different song
[...]
So come on let me entertain you
Let me entertain you
Das ist gute Unterhaltung, von den Füßen in den Kopf gestellt. Der als Unterhaltung inszenierte Dialog mit dem Publikum wird medial eingespeist in die Zentralen der Politik. Finanziell noch unterhalten von den Steuergeldern der Wahlbürger unterhält sich die Politik immer weniger mit dem Bürger und stattdessen immer häufiger mit sich selbst: vermittels der Medien: Den so genannten Unterhaltungs-Medien.
Das „Live-8“-Konzert war ein Massen-Medien-Spektakel dieser unserer noch verbliebenen Zeit, geprägt von dem Anspruch, der Politik etwas entgegen zu setzen, ja, sie mit ihren eigenen Waffen der Medialisierung zu schlagen.
Die IFA Convention verspricht uns „Information“ und „Innovation“: „Global News“ „Crossmediale Inhalte- und Vertriebsstrategien“, „Digitalen Rundfunk“ samt „mobiler Kommunikation und Diensten“, einen Einblick in den „Film-standort Deutschland“, die Frage nach der Fussball-WM 2006 als den „Beginn einer neuen Medienära?“ eine „Reise in die Welt akustischer Räume und Identitäten“ und einen ganzen Tag lang alles um das Thema „e/home“, inklusive einem „Best Practice“-Vortrag zum Thema: „Jetzt einsteigen und neue Umsatzchancen nutzen“.
Wenn es Ihnen also an Zeit fehlt zu lesen: Betreiben Sie die Waren-Wirtschafts-Auslese vor Ort in Berlin. Denn wenn der „Showdown“ beginnt, sind sie alle da mit ihren „State-of-the-Art“-Statements: Die Macher der Unterhaltungsindustrie als „Killer-Apps-Manager“, die ihr Publikum lieben - wie sich selbst.