Die Veröffentlichung dieses Beitrag hat auf sich warten lassen und ist - eigentlich - immer noch verfrüht, da nicht fertiggestellt.
Anlass und Hintergrund ist der Ausfall eines Nachfolgetermins an der Deutschen Nationalbibliothek. Diese war bereits am Sonntag aufgesucht worden [1] - und endete mit der erschreckenden Erkenntnis, dass auch nicht eine einzige Seite dieser ISSN-zertifizierten Plattform in den Lesesälen des Hauses eingesehen werden konnte.
Ein für Dienstag, den 17. Juni 2025, avisierte Klärung im Hause konnte nicht ermöglicht werden, da dieses wider Erwarten an diesem Tag für den Publikumsverkehr geschlossen war.
Das hatte einige Stunden Frei-Zeit zur Folge.
Diese wurde dafür genutzt, in einer Sitzgruppe vor dem Hotel in einem langen Redebeitrag das bisher erlebte Revue passieren zu lassen, ’kalt’ ins Mikrofon zu sprechen, und das, zur eigenen Überraschung, gut und gerne eine Stunde lang...
...aber wer wird sich schon einen solchen Text über eine solch lange Zeit hören wollen? Wir arbeiten noch an einer Lösung.
Bis dahin werden die insgesamt vier chronologisch aufgenommenen Tracks an dieser Stelle ungekürzt eingeblendet ...
...und schrittweise bei verschiedenen Speech.to-Text-Anwendungen zur Umsetzung eingespielt werden.
Als bislang besten Versuch bilden wir hier vom ersten der vier Tracks die ohne vorherige Einübung genutzte Online-Anwendung von transcribe.com ab - und zwar ganz bewusst ohne jegliche Korrekturen vonseiten des Urhebers:
Einen schönen guten Tag, liebe Hörerinnen und Hörer. Heute bei der Aufzeichnung ist der siebzehnte Juni 2025. Es ist die Mittagsstunde halb 1 und ich, Wolf Sichert, sitze hier in Leipzig direkt neben der Nikolaikirche und fange an, diese Aufzeichnung hiermit vorzubereiten, zu beginnen und durchzuführen. Diese Aufzeichnung entsteht in Ermangelung 1 Rechners. Dieser Mangel wurde bewusst hergestellt, weil die Entscheidung war gefallen, hier nach Leipzig ohne Rechner zu fahren, zumal es auch ein Telefon gibt, mit dem man relativ viele Dinge auch mit Mail oder SMS oder Signal und anderer Dienste erledigen kann.
Das wurde auch notwendig, aber um eine solche Aufzeichnung zu machen, ist es dann doch notwendig, einen längerfristigen Text herzustellen. Und das am Telefon ist doch etwas schwierig. Wir haben hier die typische Situation der Innenstadt, in der wir uns in einem nach wie vor historischen Umfeld bewegen mit vielen gepflegten Häusern und Fassaden, die alle an die Zeit des Wiederaufbaus nach 89 erinnern und natürlich ein Stück weit auch an die Zeit vor dieser friedlichen Revolution. Und ich hatte selber die Chance, noch zu Zeiten der DDR in Leipzig zu verweilen. Und ich hatte da die Chance, beim Wiederaufbau der neuen Messe in Leipzig zu verweilen und dort auch zu arbeiten.
Und jetzt dieser Tage bin ich erneut hier in dieser Stadt im Rahmen des Bachfestes, um die Möglichkeiten zu nutzen, an diesem Ort den Gedanken und Spuren der vergangenen eigenen Geschichte, aber auch der Familiengeschichte nachzuspüren. Wie man im Hintergrund hört, ist Leipzig immer noch eine Baustelle. Hier fehlt jetzt gerade ein Laster entlang, der flüssigen Estrich in die Nähe der Nikolaikirche verbringt. Und am anderen Ende der Straße hört man einen der vielen Musiker, der versucht, mit seinem Spiel das Geld aus den Taschen des vorbeiziehenden Publikums zu ziehen. Ansonsten ist es hier relativ still bis auf das Geläut der Glocken, die normalerweise immer die volle Stunde anzeigen und in der Nähe von einigen Kirchen auch, die jeweils viertelstündige viertelstündige Abfolge von jeweils 15 Minuten.
Heute aber ist es ruhig und wir sind eigentlich nur noch gestört von verschiedenen kleinen Ereignissen, die hier aber nicht weiter der Erwähnung bedürfen. Diese Aufzeichnung entsteht nach 4 Tagen Aufenthalt in dieser Stadt, von der ich bereits erwähnt habe, dass sie mir aus verschiedenen anderen Zeitläufen in Erinnerung ist. Und ich muss zugestehen, dass mir diese Erinnerung sehr wenig geholfen hat, um die Situation heute darauf beziehen zu können. Die Stadt ist neu herausgeputzt und die Erinnerung an die Geschichte dieser Stadt ist ebenfalls in gewisser Art und Weise neu herausgeputzt, um letzten Endes das zu rekultivieren, woraus die Tradition dieser Stadt sich entwickelt hat und um diese Tradition heute mit einem großen Aufwand zu vermarkten. Diese Vermarktung ist, so scheint es, ziemlich erfolgreich, weil an dem jetzt vergangenen Wochenende die Stadt rammelvoll war mit Leuten, die die gesamte Innenstadt ja geradezu bedrängten mit ihrer Anwesenheit und zugleich die vielen Angebote der musikalischen Aufführungspraxis aus der Zeit Bachs, aber auch heute wahrnahmend.
Diese Wahrnehmung hat was von einem Volksfest, hat auch etwas von einem Kernzeitereignis, hat auch etwas von 1 fröhlichen Begegnung mit Menschen, die einem so bisher nicht untergekommen sind und die aber, genau wie wir selbst auch, neugierig, fröhlich und mit 1 leichten Skepsis gegenüber dem zukünftigen Erleben diese Stadt bevölkern. Und natürlich mit Geld, denn 1 ist klar, was hier zu erleben ist, ist die Wiederaufrüstung 1 alten Tradition mit den Insignien höchst kapitalistischer Verwertungstrategien, die außerordentlich erfolgreich und möglicherweise sogar nachhaltig in dieser Stadt Platz gegriffen haben. Denn auch hier ist es wie in vielen anderen Innenstädten so, dass all die bekannten Namen von New Yorker bis Wimpe immer wieder in den Geschäften auftauchen, wenn auch unter schöner, versteckter, verschwiegener, traditioneller Fassade. Aber im Grunde das Gleiche in grün, grau, schwarz oder auch bunt, so wie wir’s aus allen anderen Städten auch kennen. Insofern ist die besondere Deutung der Qualität dieser Stadt, so wie ich sie 1 kennengelernt habe, weitgehend, ja, vielleicht sogar verschwunden oder vielleicht auch nur verdeckt.
Aber sie ist jedenfalls nicht mehr augenscheinlich und mental auch nicht mehr unmittelbar erfassbar. Dieser Eindruck hat durchaus für mich Elemente der Traurigkeit oder auch des Trübsins zur Folge, die mir bisher so eigentlich nicht bekannt waren oder jedenfalls in diesem Zusammenhang kaum aufgetreten sind. Denn natürlich macht es keinen Sinn, der DDR hinterherzutrauen, weiß Gott nicht. Es macht doch keinen Sinn, auf die Aufbaujahre zurückzukehren oder zurückzublicken, in denen wir hier vieles neu haben und gestalten können. Aber es hätte schon Sinn gemacht, etwas stärker darauf zurückzublicken, in welcher entscheidenden Weise die Bevölkerung dieser Stadt mit dazu beigetragen hat, dass das Leben so stattfindet, wie wir es heute hier täglich wahrnehmen können.
Ja, es gibt in der Straßenbahn noch die Ankündigung, dass es hier eine friedliche Revolution gegeben habe und dass es dafür einen eigenen Platz gibt. Und gleich dahinter wird in der Straßenbahn aber auch angekündigt, dass es dann eben einen Reheladen gibt und eine GMBH mit dem Namen XYZ, die sich hier ebenfalls angesiedelt habe. Also es gibt einen supergut organisierten, vor allen Dingen von Straßenbahnen organisierten Nahverkehr und es gibt gleichzeitig aber auch die Bereitschaft, sich die neuen Herausforderungen der Vermarktung zu stellen, sie anzunehmen und umzusetzen. Also, Leipzig vom Feinsten, vielleicht nicht mehr vom schönsten, aber im kapitalkräftigsten Sinne erfolgreichsten? Wie gesagt, wenn man hier Geld hat, kann man sich’s hier gut gehen lassen und man kann in die Altstadt, wo auch immer, gehen und muss auf jeden Fuß gucken, dass einem da nicht ein neuer Musikant in die Wege kommt, um sich mit seinem Spiel geradezu aufzudrängen.
Aber es gibt auf der anderen Seite auch kleine Orte, stille Orte, in denen dann doch noch mal ein Stück jener traditionsbewussten Haltung hervorluggt, die uns weitgehend im Alltag heute verloren gegangen ist. Deshalb auch kein langer Exkurs aus jenen Tagen der sogenannten friedlichen Revolution. Aber doch der Hinweis darauf, dass grade in den Kirchen damals die Bereitschaft, auf den Gebrauch von Waffen zu verzichten, heute in einem ganz neuen Zusammenhang wieder auftaucht und gleichzeitig auch infrage gestellt wird. Also die Förderung heute, diese wehrhafte Demokratie mit immer weiteren Kapitalmitteln auszustatten und Firmen wie Hensolt oder Rheinmetall damit zu beauftragen, für das Wohl des deutschen Volkes neue Rüstungsgüter zu produzieren, das findet hier schon nur sehr beschränkt Zuspruch. Und dieser Zuspruch, so es deutlich zu spüren, kommt aus jenen Jahren, die wir damals hier gemeinsam erlebt haben oder die die Menschen, die mit großer Kraftanstrengung und großem persönlichen Eifer diese Zeit damals gestaltet haben.
Es gibt auch eine kleine Broschüre, die darauf aufmerksam macht, dass es nun endlich Zeit sei, das Einheitsdenkmal in Leipzig aufzustellen. Und zugleich denke ich an die eigenen Bemühungen, zusammen mit einem Freund einen Entwurf für das Einheitsdenkmal in Berlin zu schaffen. Damals hatten wir wie viele andere einen solchen Entwurf eingereicht und waren auch durchaus optimistisch, dass er zumindest in die engere Auswahl kommt, da es inoffiziell eine Reihe von Reaktionen gab, die diesem Entwurf eine gewisse Qualität zugesprochen haben. Kurz und gut, es war damals ein riesiger goldener Ring, der in einem Wasserbecken aufgestellt war und in dem die Einheit der beiden deutschen Länder in diesen Ring eingetragen war. Aber dann kam es dazu, dass in einem Artikel im Spiegel dieser Entwurf nicht nur als 1 der Favoriten besprochen wurde, sondern auch in einem Bild aus diesem Entwurf zitiert wurde.
Das fatale Ergebnis dieser besonderen Promotion war die Tatsache, dass es nunmehr eine Entscheidung gab, diesen Entwurf aus dem finalen Verfahren heraus zu trennen, weil er ja nunmehr in 1 Weise in die Konkurrenz eingebunden wurde, die nicht den Spielregeln des Verfahrens entsprochen hat. Ich beende mal kurz zur Aufzeichnung, weil hier neuer Baulärm ist und vielleicht auch eine kleine Denkpause angemessen.