Programm-Austausch: China <-> Deutschland

VON Dr. Wolf SiegertZUM Freitag Letzte Bearbeitung: 2. Mai 2005 um 11 Uhr 11 Minuten

 

Die jährliche Vortragsveranstaltung des Instituts für Rundfunkökonomie fand in diesem Jahr am 28. und 29. April 2005 im Rahmen einer zweitägigen internationalen Konferenz statt und wurde in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung (DCW) ausgerichtet.

Auf dem am 29. April in den Räumen der Industrie- und Handelskammer zu Köln stattfindenden "Workshop und Exchange Forum" stand die Anbahnung von Geschäftskontakten zwischen deutschen und chinesischen Medienunternehmen im Mittelpunkt.

Das am 28. April in Räumen des WDR Köln vor allem auf wissenschaftliche Fragen ausgerichtete Symposion beleuchtet die Chancen und Risiken des Programmhandels zwischen China und Deutschland.

TV-Programm Austausch mit China? Peter Hille vom Sender RTL bring es auf den Punkt: Was heisst hier „Programmaustausch“? Wir tauschen keine Programme, weder gegen andere Programme noch gegen Bartering-Leistungen (also Sachmittel oder andere geldwerte Leistungen) "wir machen Programm und mein Job ist es, dieses zu verkaufen. Überall in Europa. Und auf Wunsch auch in China." Aber nur Bares sei Wahres. Gesagt hat er das so nicht, aber jedem war klar, was er gemeint hat: für einen Sender dem aus der RTL-Gruppe gelten andere Gesetze als für diejenigen staatlicher Provenienz.

ZDF-Enterprises singt da ein ganz anderes Lied. Ja, auch diese Firma sei rein privat und auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Und dennoch würde man nicht nur Programme ein- und verkaufen, sondern sich sogar auf das allzu gefährliche Feld der Koproduktion begeben wollen. Und einen Film machen über den Bau der chinesischen Mauer: ganz nach dem Motto der nicht nur Literaturkennern bekannten Frage: wer baute das siebentorige Theben?

Und Heinz Pianka von der Deutschen Welle geht noch weiter: die Chinesen machen alles richtig. Auch wenn es uns nicht so in den Kram passen mag. Wer das Land sähe wie er, der sich für nachhaltige Entwicklungen und Beziehungen einsetze und sich ihm ganz und gar verschrieben habe, der wisse auch, welch ungeheures Potential in der Zusammenarbeit noch liegen würde.

Dieses sind drei Stimmen von deutscher Seite - die in ihrer unterschiedlichen Gewichtung zugleich klar machen, welche Spannweite das Thema hat, und welche Dynamik. Jede dieser drei Strategien hat ihre eigene Geschichte und Berechtigung und doch haben sie alle drei die Idee gemein, dass es das Programm sei, das das Objekt der Begierde Seitens der chinesischen Einkäufer sei. Und dass die „klassischen“ Anforderungen wie: langfristige Präsenz vor Ort, Bereitschaft zu vielen kleinen vertrauensbildenden Maassnahmen, Anerkennung der kulturellen Unterschiede ausreichend sind, um in diesem Geschäft Erfolg zu haben.

Gewiss, dass ist es, was das Thema ja vorgibt - und doch nach zwei Tagen des gemeinsamen Gesprächs und einer grossen Spannweite von Vorträgen, die gerade auch von chinesischer Seite allen Grund zu erhöhter Aufmerksamkeit boten und in ihrer Offenheit zum Teil geradezu erstaunliche Qualitäten erkennen liessen - kommt der Verdacht hoch, dass das „eigentliche“ Meta-Thema für die zukünftige Zusammenarbeit mit den Broadcastern in China nicht der Austausch von Programmen sein wird.

Alles das, was da jetzt eingeführt werden kann und in Zukunft eingeführt werden wird, ist zunächst einmal der Tatsache geschuldet, dass es in dieser Form nicht - oder noch nicht - auch von chinesischen Produzenten hergestellt werden kann. Es ist vielmehr ein immer noch - vorsichtiger - Blick nach „draussen“ und es ist nicht das europäische, sondern das angloamerikanische Epizentrum, dass die Programmpolitik der Entscheider prägt. Und selbst diese im Vergleich zu den Europäern weitaus stärkere Gruppe hat zwei grosse Konkurrenten: Japan und Korea. Und schliesslich haben selbst diese beiden dominierenden Märket wiederum eine ihnen gemeinsam drohende Konkurrenz: die binnenchinesische Eigenproduktion.

Wenn auch nur um Rande, so wurde dennoch mehr als deutlich, dass schon heute - gerade in Sektoren die TV-„Drama“ inzwischen eine Überproduktion von Programmen gibt und dass diese in Zukunft noch weiter zunehmen wird. Und es wurde klar, von welche hoher Bedeutung die lokale Produktion und Rezeption der Programme ist. Und schliesslich - auch wenn dieses Thema nicht im Vordergrund stand - war nicht zu überhören, dass es sich bei den meisten Angeboten und Entwicklungen nach wie vor um (rein) staatliche Unternehmungen handelte und insoweit dieser Markt alles anderem unterworfen ist, als den so genannten Gesetzen des Marktes.

Und dennoch, die Veranstaltung - die hier nicht im Detail wiedergegeben werden kann - zeichnete sich dadurch aus, dass sie
  wirklich auf ein darauf eingerichtetes Fachpublikum eingestimmt worden ist
  sich der Herausforderungen auch von der sprachlichen Bewältigung wirklich stellte
  sehr sorgfältig vorbereitet und ohne falschen Schnickschnack durchgeführt worden war
  eine grosse Breite von Ansichten und Positionen sehr gezielt ausgesucht wurden
  viele der Redner(innen) im Rahmen der in ihrer Position möglichen Freiheiten oft bis an die Grenze gingen, um diese Besonderheit ihrer Position deutlich zu machen.

Es ist selten, dass die Erwartungen auf eine Veranstaltung wie diese nicht nur erfüllt werden, sondern „übererfüllt“. Wenn es den Chinesen gelänge, den nächsten 5 Jahres-Plan in gleicher Weise durchzuziehen, wäre das der perfekte programmatische Austausch von Kompetenzen...


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